Man schreibt das Jahr 1911: Marie Curie erhält den Nobelpreis, der Stapellauf der Titanic findet statt, Roald Amundsen erreicht als erster Mensch den Südpol, der Hamburger Elbtunnel und das Berliner Hebbeltheater werden eröffnet. „Petruschka“ von Igor Strawinsky und „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss werden uraufgeführt, Gustav Mahler stirbt, Wilhelm Furtwängler beginnt in Lübeck seine Dirigentenlaufbahn. In Berlin kommt der Augenarzt Prof. Dr. Pollack auf die Idee, ein Amateurorchester ins Leben zu rufen, das hauptsächlich aus Medizinern bestehen soll. Haus- und Kammermusik zu machen war in Medizinerkreisen bisher durchaus üblich, es war aber ungewöhnlich, sich an größere Werke zu wagen. Nach 2 Jahren gibt Prof. Pollack die Leitung ab, Herr Urack und Herr Zimmer leiten kurzfristig das Orchester. Der 1. Weltkrieg und die politischen Wirren der Nachkriegszeit verhindern zunächst ein Gedeihen.
1925 wird Dr. Julius Kopsch Dirigent des Orchesters. Eigentlich Jurist, war er jedoch während der letzten 4 Jahre Landesmusikdirektor in Oldenburg. Er kehrt in seine Heimatstadt Berlin zurück und konzertiert mit dem Blüthner-Orchester. Der Bitte des Vorstandes, die Leitung des Berliner Ärzte-Orchesters zu übernehmen, kommt er gern nach. Bereits nach 4 Monaten erklingt das erste Konzert, kurz darauf ein zweites. Nach einem Jahr wird Peter Tschaikowskys 5. Sinfonie aufgeführt. Bald folgt die Erstaufführung der Ouvertüre „Der portugiesische Gasthof“ von Cherubini. Viele bekannte Solisten treten mit dem Orchester auf, wie z.B. die Sopranistin Elisabeth Schwarzkopf oder die Geigerin Gioconda de Vito. Von 1928 bis 1933 erlebt das Orchester eine Blütezeit. Durch das Naziregime erleidet es einen schweren Rückschlag, da viele Mitglieder emigrieren. Dennoch werden in den ersten Kriegsjahren gute Konzerte gegeben, sogar Beethovens Neunte wird aufgeführt. Kurz vor dem Krieg hatte Dr. Kopsch noch das Berliner Rechtswahrer-Orchester gegründet. Während des Krieges musizieren beide Orchester gemeinsam und fusionieren später. Zu dieser Zeit gibt es auch einen Berliner Ärzte-Chor. Nach dem Krieg sind die meisten Konzertsäle zerstört. Das Berliner Ärzte- und Rechtswahrer- Orchester gibt das erste Konzert im neu erbauten Delphi-Kino. Weitere Konzerte finden in Kirchen oder im Auditorium Maximum der Freien Universität statt. Auch im Zoologischen Garten wird musiziert. Der Mauerbau 1961 bringt einen weiteren Rückschlag. Von einem Tag auf den anderen fehlen zahlreiche Musiker.
Das letzte Konzert unter Dr. Kopsch findet 1962 statt. Mit 76 Jahren übergibt er den Taktstock an den Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Kurt Löblich, der ein eigenes Orchester aus Reinickendorf mitbringt, die Berliner Orchester-Gemeinschaft. Es entsteht das Berliner Ärzte-Orchester in seiner heutigen Form. Nun können wieder größere Werke gespielt werden, wie Ludwig van Beethovens Eroica, Felix Mendelssohn-Bartholdys Schottische Sinfonie, Werke von Antonin Dvorak, Johannes Brahms und Peter Tschaikowsky. 1976, zum 70. Geburtstag von Dr. Löblich, wird die 4. Sinfonie von Anton Bruckner erfolgreich gespielt. Von 1983 bis 1985 leitet Eberhard Adler zeitweise das Orchester. Im Mai 1985 dirigiert Dr. Löblich 79jährig sein letztes Konzert, ein Festkonzert in der Philharmonie anlässlich des Hals-Nasen-Ohren-Kongresses, bei dem unter anderem ein Romantisches Vorspiel des Professors für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. Julius Berendes zur Uraufführung kommt. Nach 22 Jahren nun „Fermate für Dr. Löblich“, wie einige Zeitungen schreiben.
Kevin McCutcheon, Studienleiter und Dirigent an der Deutschen Oper Berlin, übernimmt 1986 die Leitung. Bei seinem ersten Konzert werden die Egmont-Ouvertüre und das 5. Klavierkonzert von Beethoven mit Alan Marks als Solist sowie Dvoraks 6. Sinfonie gespielt. Das 75. Jubiläumskonzert des Berliner Ärzte-Orchesters im November 1986 erklingt mit dem Violinkonzert von Chatschaturian in einer Fassung für Flöten mit dem Flötisten Karl-Bernhard Sebon, mit der Ouvertüre zu „Der Portugiesische Gasthof von Cherubini“ und Schumanns 3. Sinfonie. Am 10. Mai 1987 zur 750-Jahrfeier Berlins findet ein Konzert mit Werken von zum Teil vergessenen, aber auch bekannten Berliner Komponisten (Rietz, Taubert, Bruch) statt.
1989 direkt nach dem Fall der Mauer gibt es plötzlich zwei Ärzte-Orchester in Berlin. Bis heute werden nebeneinander Konzerte gegeben, da ein gemeinsames Musizieren auf Grund der großen Musikerzahl nicht möglich ist. Die ersten Konzertbesucher aus Ost-Berlin und dem Umland kommen am 3. Dezember 1989 in die Hochschule der Künste, als die Moldau von Smetana, das Siegfried-Idyll von Wagner und das 2. Klavierkonzert von Rachmaninow, wiederum mit Alan Marks als Solist, gespielt werden. Zum 150. Jubiläum des Berliner Zoos 1994 erklingt sehr gelungen ein reines Tierprogramm in der Berliner Philharmonie: S’kommt ein Vogel geflogen von S. Ochs, Karneval der Tiere von C. Saint-Saens (mit Wolfgang Völz als Sprecher), Schwanensee von P. Tschaikowsky und Ma Mère L’Oye (meine Mutter, die Gans) von M. Ravel. Im gleichen Jahr spielt das Orchester erstmals im Konzerthaus Berlin, und zwar die Rosamunde-Ouvertüre von Franz Schubert, das Konzert für 2 Flöten von Franz Doppler (Solisten Eric Kirchhoff und Wolfgang Dasbach) und die 4. Sinfonie von Johannes Brahms. 1996 findet ein Wohltätigkeitskonzert in demselben Konzertsaal statt, gemeinsam mit einem Ärztechor aus Zagreb. Von dem Erlös werden medizinische Geräte für eine Klinik in Kroatien gekauft. Kevin McCutcheon führt das Orchester im Laufe der Jahre an die unterschiedlichsten Werke heran. Seine Tätigkeit an der Deutschen Oper bietet dem Orchester die Möglichkeit, mit vielen namhaften Solisten aber auch mit weniger bekannten, talentierten jungen Künstlern zu konzertieren. Es werden zum Teil außergewöhnliche Stücke aufgeführt, die eine große Herausforderung für das Amateurorchester bedeuten. Mit viel Geduld und Energie gelingt es Kevin McCutcheon immer wieder, anspruchsvolle Werke zu erfolgreichen Aufführungen zu bringen, wie z. B. die Toteninsel von Rachmaninow, Peter und der Wolf von Prokofieff (Sprecher Ilja Richter), den Dreispitz von Manuel de Falla, ein Gershwin-Programm, die Nullte Sinfonie von Bruckner, Unanswered Question von Ives, Eine Steppenskizze aus Mittelasien von Borodin, Appalachian Spring von Copland, Lieder eines fahrenden Gesellen von Mahler, Arien von Bellini, den Bolero von Ravel, das Viola-Konzert von Bartók, die Violinkonzerte von Bruch, Brahms und Beethoven, den Feuervogel und die Circus-Polka von Strawinsky, ein zeitgenössisches Posaunenkonzert des russischen Komponisten Potenko sowie zahlreiche Klavierkonzerte. Fanden die meisten Konzerte früher im Konzertsaal der Hochschule der Künste statt, so entdeckt das Berliner Ärzteorchester im April 2000 erstmals den Kammermusiksaal der Philharmonie für sich und spielt seitdem regelmäßig dort.
An zeitgenössische Werke wagt sich das Orchester heran, wie z. B. „Tabula Rasa“, ein Doppelkonzert für 2 Violinen, Streichorchester und präpariertes Klavier von Arvo Pärt mit Reinhold Wolf, Kai Franzke, Klavier Douglas Brown (das Klavier wird mit Schrauben und Muttern präpariert und erzeugt dadurch den Klang eines Läutwerkzeugs.), des Weiteren von Francesco d’Avalos „In Memoriam“. Besonders erwähnenswert sind außerdem die Wesendonk-Lieder von Richard Wagner (Solistin Heidi Jütten), das Violinkonzert Nr. 2 von Winiawski mit der sehr jungen Solistin Helena Madoka Berg, von Elgar Pomp and Circumstance, von Joseph von Lindpaintner die Sinfonia Concertante für Bläserquintett und Orchester mit Bläsern des Orchesters der Deutschen Oper Berlin, von Debussy Prélude à l’après midi d’un faune und dem Danse macabre von Camille Saint-Saëns. Die Planeten von Gustav Holst erklingen mit einem zusätzlich komponierten Werk „Earth, the bringer of life“ von Douglas Victor Brown, der wie Kevin McCutcheon Solorepetitor an der Deutschen Oper Berlin ist. Ein weiteres Werk „Traumfahrt“ von ihm wird vom Berliner Ärzte-Orchester uraufgeführt.
Zwei barock geprägte Konzerte werden in der Heiligkreuz-Kirche in Berlin Kreuzberg im Frühjahr 2001 und 2004 gegeben mit Musik von Bach und Vivaldi sowie Haydns Sinfonie Nr. 83 mit dem Beinamen „das Huhn“ und die Abschiedssinfonie. Auch an anderen Orten wird gelegentlich konzertiert. So werden das 10-, 20- und 25jährige Jubiläum des Deutschen Herzzentrums dort musikalisch begleitet. Außerdem finden gelegentlich Sommerkonzerte im Schloss Britz oder auch außerhalb Berlins, z.B. in Woldzegarten statt. Im Mai 2006 wird im Kammermusiksaal das Cembalokonzert von J.S. Bach mit Kevin McCutcheon als Solist aufgeführt, außerdem Konzertarien von Mozart, gesungen von Rachel Indermaur, und Beethovens Eroica.
Das 25jährige Jubiläum der Caritas am 11.11.2007 wird mit Rossinis Ouvertüre zu La Cenerentola (Aschenputtel), Ottorino Respighis Pini di Roma und Cimarosas Il Maestro die Cappella (der Musikmeister), einem burlesken Intermezzo für einen Bass-Bariton (George Fortune) mit Orchester begangen. Dargestellt wird hierbei eine Art Probe. Nach einer kurzen Ouvertüre erklärt der Sänger den verschiedenen Gruppen des Orchesters, was sie spielen sollen. Dabei geht er zum Teil recht drastisch vor. Immer wieder ermahnt er das Orchester, weil es vermeintlich falsch spielt oder einzelne Instrumentalisten sich verzählen. Manchmal ist der Kapellmeister zufrieden, dann bemängelt er neue Fehler. Am Ende gelingt die Aufführung. Einige Passagen kommen uns dabei doch sehr bekannt vor.
Ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Konzert mit vielen Gesangssolisten und Werken von Bach bis Gospel gab es am 9. November 2008.
20 Jahre nach der Maueröffnung erklingt 2009 erneut u. a. die Moldau von Smetana.
Am 12. Juni 2011 spielte das Berliner Ärzte-Orchester zum 25-jährigen Jubiläum des Deutschen Herzzentrums im Berliner Rathaus was eine besondere Freude war, ist doch der Direktor des DHZB Herr Prof. Dr. Roland Hetzer seit vielen Jahren Schirmherr des Orchesters.